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Innovationsmanagement - Innovation managen
oder Innovation ermöglichen?
 
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Überarbeiteter Vortragstext
6. Karlsruher Symposium für Wissensmanagement in Theorie und Praxis am 9.10.2008 im Siemens Industriepark Karlsruhe

NEU-INSZENIERUNG DES DENKENS IM INNOVATIONS-MANAGEMENT - Innovation managen oder Innovation ermöglichen?

Innovations-Management wird in Unternehmen inzwischen als notwendig angesehen. Da Innovation auch mit Unsicherheit und Risiko zu tun hat, wird derzeit die Betonung besonders auf "Management" gelegt: d.h., es geht vor allem darum, diese Anteile "beherrschbar" und "sicher" zu machen durch formalisierte Ablauf- und Entscheidungsprozeduren. Inzwischen zeigt sich allerdings, dass gerade diese beliebten Instrumente der Innovation nicht immer förderlich, ja zum Teil kontraproduktiv sind.

Wird beim Innovations-Management dagegen der erste Teil des Wortes - "Innovation" - betont, bieten sich ganz andere Instrumente an, die den Fokus eher auf das Ermöglichen und Fördern von Innovation legen als auf "Managen". Dies erfordert jedoch ein Umdenken und die Neu-Inszenierung liebgewonnener Instrumente und Einstellungen.

In einer Untersuchung von Boston Consulting (brand eins, 9, 2007) waren, 80% der Vorstände der Meinung, in ihrem Unternehmen hätte Innovation eine sehr hohe Priorität und ebenfalls 80% der Vorstände meinten, es bestünde ein innovatives Klima in ihrem Unternehmen. Nur etwa 50% der Mitarbeiter dagegen teilten diese Meinung. Dies macht schlaglichtartig deutlich, dass es sinnvoll ist zu unterscheiden zwischen

- dem Wunsch nach Innovation
- der Erlaubnis zur Innovation
- der Fähigkeit zur Innovation.

Im Folgenden werden aus über zwanzigjähriger praktischer Erfahrung im Innovationsmanagement unter diesen drei Aspekten zunächst Konzepte des Innovations-MANAGEMENTS kritisch beleuchtet. Ihnen werden dann einige ausgewählte kreative Instrumente und Verfahren gegenübergestellt, die den Akzent auf Innovation ERMÖGLICHEN legen.


A. DER WUNSCH NACH INNOVATION
Innovation erfordert in erster Linie nicht die „gute“ Idee, sondern primär den Willen, aus einer Idee etwas zu machen und den Willen, neben den Vorteilen auch alle Nachteile und Schwierigkeiten, die damit verbunden sind, zu tragen.

A.1. Akzent auf „Managen“

Der stage gate Prozess bremst Eigeninitiative
Der stage gate process ist ein Ablauf, der den Prozess von der Ideen-Entstehung bis zur Markteinführung in 4 bis 5 sequentielle Phasen einteilt, die durch sogenannte gates getrennt sind. Inzwischen ist er in Deutschland in fast jedem grösseren Unternehmen eingeführt. An jedem gate wird von gatekeepern nach bestimmten Kriterien entschieden, ob die Idee in die nächste Phase weiterkommt oder fallen gelassen wird.

Schon nach dem ersten gate wird nach Marktvolumen und einem Zeitplan gefragt. Die Ideen sind aber zu diesem Zeitpunkt in einem „Aggregatszustand“, für den solche Kriterien noch zu hart sind. Es ist bekannt, dass unser Gehirn sich schwer tut, das Potential unfertiger Ideen zu „sehen“, und dass wir dazu neigen, eher Fehler als Vorteile und Potentiale zu erkennen. Häufig fehlt es daher den meist untrainierten gatekeepern an der notwendigen Entscheidungsphantasie, sodass Ideen mit Potential oft zu früh aus dem Rennen geworfen werden - zumal die gatekeeper in der Regel Personen sind, die nicht bei der Ideen-Entstehung dabei waren.

Mit dem Prozess ist zwar eine Systematik für die Erzeugung und „Behandlung“ von Ideen eingeführt, nicht aber automatisch die Bereitschaft, Neues auch tatsächlich mit allen Konsequenzen zu wollen. Von mehreren Unternehmen höre ich inzwischen, dass der Prozess „nicht gelebt wird“. Er muss von Personen gespeist werden, die ein Interesse und die Kompetenz für Innovation und Kreativität haben und deren Wollen angeregt und belohnt wird. Die Installation eines Prozesses „für“ Innovation lässt leicht vergessen, dass man auch etwas dafür tun muss, den Betriebsstoff Kreativität und die Leidenschaft zu fördern.

Open Innovation und Lead User-Konzept delegieren Verantwortung
„Open Innovation“ ist zur Zeit ein beliebtes Instrument, das durch die Möglichkeiten des Internets Auftrieb erhielt. Grundidee ist es, Ideen und Anregungen für Innovationen von aussen zu holen (Kunden, nicht-Kunden, Interessierte) unter der Annahme, dass ausserhalb des Unternehmens ein grosses Potential an Ideen vorhanden ist und dass der potentielle Kunde schliesslich am besten weiss, was er will. Dass es ausserhalb viele Ideen gibt, ist unstrittig, allerdings ist es m.E. in den Unternehmen nicht unbedingt das Problem, Ideen zu generieren sondern vielmehr, wirklich neue Ideen auch zu realisieren.

Problematisch ist, dass den Ideen „von aussen“ eine ganz besondere Magie anhaftet: die Idee „muss gut sein“ (sie ist ja vom Kunden selbst, also befriedigt sie genau seine Wünsche). Und: wenn die Idee wider Erwarten doch nicht erfolgreich wird, ist es nicht die Schuld der Entwickler oder Entscheider – schliesslich „haben wir getan, was der Kunde wollte“. Damit delegiert man Verantwortung und meidet die Notwendigkeit, für etwas Neues und damit auch meist Unbequemes einzustehen.

Das Gleiche gilt für die oft geforderte „frühe Kundeneinbindung“ oder das Lead-User-Konzept (Ideenentwicklung mit Anwendern, die einen Bedarf an neuen Lösungen lange vor der breiten Masse der Anwender haben und sie auch formulieren können). Natürlich kann es hilfreich sein, den Kunden einzubeziehen, aber nicht generell und früh, sondern eher spät, wenn die Idee schon einen gewissen Reifegrad erreicht hat und es eher um Details geht (soll der Einschaltknopf oben oder unten angebracht werden, ist die Menüführung selbsterklärend...)


A.2. Akzent auf „Ermöglichen“

Experiment 1:
Leidenschafts-Assessments

Innovationsprojekte werden oft von guten Projektmanagern gemanaged. Aber auch oft eben „nur“ gemanaged – wie irgend ein anderes Projekt auch. D.h. es erhält nicht unbedingt derjenige die Projektleitung, der sich der Innovation verschrieben hat oder gar Leidenschaft für das Neue und Unbequeme aufbringt, sondern derjenige, der effizient Prozesse koordinieren und Ziele definieren kann.

Innovation aber erfordert eine spezielle Führungsstärke: Leidenschaft für das Neue und die Bereitschaft, Risiken zu tragen, sich zu exponieren und die Verantwortung dafür zu übernehmen. Statt der üblichen Assessment-Center wäre daher ein Leidenschafts-Assessement viel wichtiger, in dem man diejenigen ausfindig machen könnte, die sich für Innovation tatsächlich eignen, weil sie nicht nur Fachwissen und Sozialkompetenz sondern auch überdurchschnittlich viel Leidenschaft entwickeln können. Das grosse Interesse, auf das das Leidenschafts-Assessment stösst und die gleichzeitig geringe Bereitschaft, ein solches auch tatsächlich im Unternehmen durchzuführen, zeigt die aktuelle Situation sehr deutlich.

Experiment 2:
Aliens in residence

Statt einen weiteren Ingenieur in der Motorenentwicklung einzustellen, könnte man z.B. für ein dreiviertel Jahr einen Modedesigner einstellen – in der Motorenentwicklung! Was würde passieren? Welche Schwierigkeiten würden auftreten? Und welche Chancen böte das? Ganz sicher die Chance, dass in den Köpfen vieles durcheinandergewirbelt wird und ganz neue Denkstränge entstehen müssen, einfach, weil beide Welten so weit voneinander entfernt sind bezüglich Denkweise, Wissen, Kommunikation und Sprache. Es funktioniert allerdings nur, wenn es nicht darum gehen soll, etwa einem Motor modische Farbe zu verleihen, sondern wenn ernsthaft versucht wird, mit solchen Aliens zu kommunizieren, und sie als „normale“ Arbeitskraft zu verstehen. Erfahrungen mit einem ähnlichen Modell wurden in der Schweiz gemacht (Scott, J. (Ed.): Artists-in-Labs: Processes of Inquiry, 2006).

Experiment 3:
Drei-Minuten Seminare

Seminare zum Thema Kreativität oder Innovation dauern in der Regel zwei Tage in denen möglichst viel Stoff vermittelt werden soll. Ein radikal anderes Design wäre ein „3-Minuten-Seminar“ in dem bewusst wenig in kurzer Zeit vermittelt wird:
3 Minuten Input
eineinhalb Stunden individuelle Reflexion darüber
3 Minuten Input
eineinhalb Stunden individuelle Reflexion darüber
3 Minuten
eineinhalb Stunden individuelle Reflexion

In einem halben Tag von 8.00 bis 12.39 Uhr kann die Bewusstmachung sehr weniger, aber wichtiger Elemente der Kreativität/Innovation durch ein Minimum an Input ("Akupunktur") eine hohe Anwendungswahrscheinlichkeit und durch das ungewöhnliche Format erhöhte Aufmerksamkeit erreicht werden. Die Reflexion kann durch Hilfsfragen (was bedeutete es für mich, das Unternehmen, was kann ich tun, ...) unterstützt werden, soll aber auch bewusst den Einzelnen „alleine lassen“, um die Erfahrung zu ermöglichen, was es heissen kann, etwas radikal anders zu machen.

Teilnehmer: 20 - 120 Personen, bevorzugt aus dem Bereich Entwicklung plus der Vorstandsvorsitzende. Dabei ist wichtig, dass der Vorsitzende über die ganze Zeit teilnimmt, nicht nur zur Begrüssung. Eine Studie hat gezeigt, dass nicht der direkte Vorgesetzte für die Einstellung gegenüber Innovation das Vorbild ist, sondern der Vorstands-Vorsitzende (!) (Morrison, E.W. und Phelps, C.C. : Taking charge at work, in: Academy of Management Journal, 42 (4), 1999). Ein Fahrzeugzulieferer wird dieses Experiment kommendes Jahr erproben.

Innovation ermöglichen
(Fotos aus der Live-Präsentation)


B. DIE ERLAUBNIS ZUR INNOVATION
Neben dem Willen zur Innovation ist das zweite zentrale Element die Erlaubnis, etwas Neues zu tun oder zu denken, und zwar sowohl die Erlaubnis von aussen (Vorgesetzter, Unternehmen) als auch die Erlaubnis, die ich mir als Person selbst dazu gebe.


B.1. Akzent auf „Managen“

Fehler machen dürfen hilft nicht
In vielen Unternehmen wird „Fehler machen dürfen“ als ein Element des kreativen Klimas gesehen. Allerdings mit dem Zusatz: “- aber nur ein mal und dann daraus lernen“. Auf den ersten Blick scheint das vernünftig zu sein, fördert es doch die für Innovation notwendige Experimentierfreudigkeit und Freiheit? Nur – wenn ich im Vorhinein weiss, dass ich zwar einen Fehler machen darf, aber nur ein Mal, dann gibt mir das eben genau nicht die Freiheit, etwas Neues auszuprobieren! Damit wird die Freiheit, Fehler machen zu dürfen eine pseudo-Freiheit. Erst wenn es erlaubt ist, Fehler zwei Mal, drei Mal, ... ja vielleicht 7 Mal zu machen, öffnet sich ein Raum, in dem man wirklich experimentieren kann.

5% freie Zeit ist nicht nutzbar
Einige Unternehmen geben Ihren Mitarbeitern in der Entwicklung einen bestimmten Prozentsatz Zeit für freie eigene Entwicklungen. Als Paradebeispiel wird hier meist das innovative Unternehmen 3M genannt. Wenn man sich aber den Alltag vieler Entwickler ansieht, wird schnell klar, dass sich die 5 , 6 oder gar 12% meist nicht - wie gedacht - innerhalb der regulären Arbeitszeit realisieren lassen, sondern höchstens zusätzlich oben drauf! Die meisten Entwickler sind heute in der Regel so ausgelastet, das es gar nicht anders möglich ist. Diese „freie“ Zeit ist in diesem Sinne keine freie Zeit für eigene Entwicklungen.


B.2. Akzent auf „Ermöglichen“

Neu-Inszenierung 1:
Maverick-Workshop als Zeit-Slot
Ein Maverick ist ein junges Rind, das noch kein Brandzeichen trägt. Damit ist es noch nicht an die Regeln der Herde gebunden und kann sich in einem nicht oder wenig reglementierten Frei-Raum bewegen.

In einem Maverick-Workshop setzen sich 10 bis 20 Teilnehmer ausserhalb des Unternehmens für 2 bis 3 Tage zusammen. Anders als in Ideen-Workshops, von denen konkrete Ergebnisse und Ideen erwartet werden, werden vom Maverick-Workshop bewusst keine Ergebnisse verlangt - das allerdings muss glaubwürdig sein. Bewährt hat sich , dass ein Facilitator mit dabei ist, der bei Bedarf methodische Hilfen zur Verfügung stellt. Effekt: Die Abwesenheit einer konkreten Zielvorgabe und Ergebniserwartung mobilisiert (nicht immer bei allen) erhebliche Eigeninitiative und Kreativität. So wurden bei einem zweitägigen Maverick-Workshop für ein Versicherungsunternehmen Ideen entwickelt, die anschliessend bei einem internen Ideenwettbewerb mehrere Preise gewonnen haben.

Es scheint also effektiver zu sein, nicht generell ein Prozentsatz freie Zeit zu geben sondern diese Zeit zu bündeln in ein bis zwei solcher Workshops um dadurch wirklich ein Time-Slot für freie Entwicklung zu bekommen.

Neu-Inszenierung 2:
Science Fiction als Fachliteratur für den Ingenieur
„Der Dubbel“ ist die „Bibel“ des Ingenieurs. Hier steht, wie alles funktioniert, wie Zahnräder zu berechnen sind, wie Drehmomente auf die Achse wirken ... In der Science Fiction-Literatur dagegen steht all das, was sein KÖNNTE.

So kann Science Fiction als Quelle für Innovation gesehen werden. Allerdings ist dabei zu beachten, dass die Ideen in der Regel nicht 1:1 aus SF in die Realität übertragen werden können. Vielmehr ist es sinnvoll, SF zu „scannen“ nach nutzbaren Teilen einer dort beschrieben Idee (1:10), nach Prinzipien (1:100) oder sie einfach als Sprungbrett und Assoziationshilfe für Ideen und Problemlösungen zu nutzen (1:1000). Das erfordert allerdings etwas Training. Die europäische Raumfahrtorganisation ESA hat inzwischen auch SF für sich entdeckt und ein Projekt gestartet, das SF systematisch nach brauchbaren Ideen für aktuelle technische Probleme durchsucht.

SF ist daher Fachliteratur für den kreativen Entwickler. Mit diesem Argument habe ich z.B. erreicht, dass bei einem Automobilzulieferer die Vorentwickler neben dem Dubbel während der Arbeit SF lesen dürfen. Als Nebeneffekt sozusagen trainiert SF das kreative Denken: die häufige Beschäftigung mit ungewohnten Welten vergrössert die Fähigkeit, Ungewohntes zu akzeptieren, in „Unmöglichem“ und Alternativen zu denken und Einzelideen zu ganzen Ideen-Szenarien weiterzuentwickeln.

Neu-Inszenierung 3:
Effektiver arbeiten durch schweigende Meetings
Ein innovativeres Klima lässt sich auch durch die Neu-Inszenierung eingefahrener Prozesse oder Regeln erreichen, die wenig innovationsfreundlich sind. So kann z.B. ein Meeting einmal schweigend durchgeführt werden, wie jüngst beim Weltwirtschaftsgipfel 2008 in Davos. Seit 10 Jahren praktiziere ich inzwischen bei den unterschiedlichsten Anlässen und Unternehmen dieses bisweilen heftige Aufregung verursachende Kommunikationsexperiment als Prozessinnovation.

Die Effekte: Neben anfänglich ungläubigem Staunen der Teilnehmer zeigten alle schweigenden Meetings

es funktioniert

Vielredner und dominante Personen werden drastisch gedämpft

die erwarteten Ergebnisse werden in der Regel vor dem geplanten Meeting-Ende erreicht

die Tagesordnung wird komplett abgearbeitet



die Beteiligung aller ist grösser und gleichmässiger verteilt als sonst

die Aufmerksamkeit ist grösser als bei üblichen Meetings.


Innovation managen

Innovation ermöglichen
(Fotos aus der Live-Präsentation)


C. DIE FÄHIGKEIT ZUR INNOVATION

Zur Innovation fähig sein heisst, das entsprechende methodische Repertoire professionell beherrschen und einsetzen können.


C.1 Akzent auf „Managen“

Ideen-Datenbanken sind Ideengräber
Es kann in manchen Situationen hilfreich sein, auf vorhandene Ideen zurückzugreifen. Umso besser, wenn sie auch noch elektronisch gespeichert und leicht zugänglich sind. Die Erfahrung in Unternehmen zeigt allerdings, dass trotz ausgefeilter Software-Tools und trotz umfangreicher Ideen in den Datenbanken, diese oft nicht die in sie gesetzten Erwartungen erfüllen.

Der Aufwand der Erfassung, Beschreibung, Pflege und  Suche ist hoch und der Nutzen eher gering. Je weniger aber die Datenbank genutzt wird, umso geringer wird auch die Bereitschaft, weitere Ideen einzupflegen. Häufig spielt auch das psychologische Moment eine Rolle, dass es einfacher und motivierender erscheint, selbst eine Idee für das Problem zu generieren, anstatt sie aus der Datenbank herauszusuchen.

Bei einem grossen amerikanischen Unternehmen der Elektronik-Branche führte ich einen Workshop durch, in dem die Leistung des internen Ideendatenbanken-Systems überprüft und verbessert werden sollte. Ergebnis (das von hoher Management-Ebene als die beste Lösung angesehen wurde): die Datenbank wieder einstellen und das Schwarze Brett als Pinboard wieder beleben.


Trendmangement liefert Pseudo-Orientierung
Professor Holger Rust von der Universität Hannover hält die meisten der derzeit Konjunktur habenden „Trendreports“ einschlägiger Institute für nicht hinreichend seriös: Sie „brennen ein Feuerwerk an semantisch aufgeputzten Begriffen ab, um Kunden und Leser ihrer Studien zu beeindrucken“ (H. Rust: „Zukunftsillusionen“, VS Verlag 2008). Rust diagnostiziert eine hohe Komplexität und Unsicherheit in Unternehmen, die dazu führt, dass  jeder Strohhalm gerne aufgegriffen wird, der Orientierung, Sicherheit oder Richtung verspricht.

Die vermeintliche Sicherheit, die die Trends geben, sind auch wiederum eine anonyme Verantwortungsdelegation wie oben bei open innovation und lead user Konzept skizziert. Und: Wer auf den Trend setzt, bleibt follower und nicht Innovator.


Benchmarking nivelliert und verhindert Innovation
Wurde früher nach Japan geschaut zu den ungewöhnlichen Ideen, die man sich dort “traute” zu realisieren, so ist  heute das Benchmarking der Masstab für die eigene Leistung. Benchmarking kann sinnvoll sein, birgt aber auch die Gefahr, nur auf bereits Realisiertes zu schauen und sich daran zu messen, statt Neues selbst umzusetzen. Benchmarking erzeugt Sicherheit,  konserviert aber auch die bekannten Lösungen und verhindert, ganz andere Wege zu gehen.

Dieses Denken gilt es daher neu zu inszenieren und dem Benchmarking das Benchbreaking gegenüberzustellen: etwas bewusst anders zu machen, selbst dafür einzustehen, unvergleichlich zu sein.


3.2. Akzent auf "Ermöglichen"

Alternatives Instrument 1:
Inverse Bewertung
In Innovations-Workshops kann man häufig beobachten, dass in einer Gruppe, die ungewöhnliche Ideen erzeugt hat, bei der Bewertung dann wieder die eher konservativen Ideen als "gut" bewertet werden. Psychologisch ist dieses Verhalten zwar verständlich, letztlich aber unbefriedigend.

Die inverse Bewertung versucht daher, genau diesen Effekt auszunutzen. Zunächst werden die Ideen bewertet nach den Kriterien "welche Ideen sind interessant, weiterverfolgenswert?" und "welche Ideen sind unmöglich, abwegig?" Üblicherweise würde man nun mit denjenigen Ideen weiterarbeiten, die von vielen als "verfolgenswert" angesehen wurden. Diese Ideen sind aber in der Regel eher konservativ. Die Ideen dagegen, die zunächst als unmöglich, nicht verfolgenswert eingestuft worden sind, bergen aber meist das wesentlich grössere Potential. Sie sind erst auf den 2., 3., ..., 7. Blick als interessant zu erkennen.

Eine Steigerung davon ist die Auswahl der Ideen per Zufall. In einem Innovations-Workshop für einen Pumpenhersteller schlug ich vor, die weiterzuverfolgenden Ideen per Zufall auszuwählen. Führt schon die inverse Bewertung meist zu heftiger Unruhe, dann führte dieser Vorschlag fast zum Aufstand: Von "Blödsinn", "ohne mich!" bis "ja, gut" variierten die Reaktionen.

Der Aufruhr aber ermöglichte es, ausführlich darüber zu reflektieren, was eine "gute" Idee ausmacht und wann sie zum Erfolg wird. Eben nicht - so die Erkenntnis u.a. - weil die Idee per se "gut" ist, sondern weil die Idee von Personen getrieben, "gemacht" wird.


Alternatives Instrument 2:
Outsider im Projekt bringen 2/3 der Innovationen

Dass gemischte Teams aus Internen und Externen bessere Lösungen liefern als rein interne Teams, bestätigte gerade eine aktuelle Studie der Fachhochschule Ludwigshafen (PROJEKT MANAGEMENT aktuell, Nr. 1/2008).

Ich beobachte dies schon seit mehreren Jahren in Innovations-Projekten: im Schnitt stammen 2/3 der Ideen, die in die Endauswahl kamen, von Outsidern direkt oder wurden von ihnen angeregt. Gemischte Teams gehören daher inzwischen zum Standard-Design meiner Innovations-Workshops. So waren z.B. in einer Workshopserie für neue Fahrzeug-Konzepte für einen deutschen Fahrzeughersteller als Externe dabei: Ein Generalist, ein Geologe, eine Service-Designerin, ein Knowledge-Manager und ein Musiker.

Bewährt hat sich die Mischung:

1/3 Aufgabenexperten (Experten, die sich mit der Aufgabe sehr intensiv beschäftigt haben)

1/3 Tangierende Experten (Experten aus unterschiedlichen Fachgebieten, die aber zur Aufgabe beitragen)

1/3 Trigger, Outsider (Experten, die von der Aufgabe möglichst weit entfernt sind).


Alternatives Instrument 3:
Realisierungs-Landschaft und Produkt-Story

Nachdem eine Idee in die engere Wahl gekommen ist, ist es sinnvoll, das mögliche Potential weiter abzuschätzen. Dies kann mit sogenannten Realisierungs-Landschaften erfolgen: angenommen, das Ideen-Konzept würde als Projekt weiterverfolgt, welche Chancen ("Brücken"), welche Schwierigkeiten oder Widerstände ("Berge"), welche Unsicherheiten ("Sümpfe") würden sich dann vermutlich abzeichnen? Wie ist das Klima für die Idee ("Sonne", "Regenwolke"). Dabei werden standardisierten Symbole benutzt und für jedes Ideen-Konzept auf zwei Pinwänden eine solche Landschaft skizziert.

Auf diese Weise lassen sich frühzeitig Risiken und Chancen eines Konzeptes sichtbar machen, die in diesem Stadium noch nicht quantitativ erfassbar sind. In einer "Begehung" der Landschaft prüfen die Beteiligten dann, welche "Felder" sie "bestellen" wollen

Zur weiteren Konkretisierung werden dann für jedes ausgewählte Feld, d.h. für jedes ausgewählte Ideenkonzept sogenannte Produkt-Stories erstellt. Dabei wird der gesamte Produktlebenszyklus in einzelnen Stationen dargestellt - von der Herstellung über den Vertrieb, das Design, das Handling, den Kaufanlass bis zur Außerdienststellung oder Nachfolgemodellen. So wird verhindert, dass ein Konzept nicht einseitig Technik-lastig entwickelt wird sondern als ein in sich stimmiges Gesamtsystem (Technik passt zu Vermarktung, Vermarktung passt zu Kunde, passt zu ...). Ideenkonzept, Projektlandschaft und Storyboard/Produkt-Story geben zusammen ein zukünftiges Bild der Innovation ab: ein Ideen-Szenario.

Innovation managen


Innovation ermöglichen
(Fotos aus der Live-Präsentation)


D. ES SIND ALSO

nicht die Prozesse oder Methoden, die Innovationen generieren, sondern die innere Einstellung und die Neu-Inszenierung des Denkens über Innovation.













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