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"Bionik und
Innovation"
 
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in: Schweizerische Gesellschaft für Ideen und Innovationsmanagement (Hg.):
"Eine Lobby für Innovation - Innovationsbericht 2005/06"
Zürich 2005

BIONIK UND INNOVATION

Bionik (BIOlogie und TechNIK) ist die Wissenschaft davon, wie Problemlösungen aus der Natur in die Technik übertragen werden können. Die Natur wird dabei als Vorbild und Anregung für Ideen, neue Produkte, Verfahren, Problemlösungen genutzt. Nicht imitieren, sondern inspirieren lautet das Motto, wie es der Nestor der Bionik Professor Nachtigall immer wider betont (1).

Das Problem der zwei Welten
Die populären und spektakulären Erfolge der Bionik wie z.B. der sogenannte Lotus-Effekt (selbstreinigende Fassadenwände nach dem Prinzip der Lotus-Pflanze) täuschen darüber hinweg, wie schwierig es ist, Bionik tatsächlich anzuwenden.

Es  muss grundsätzlich immer Wissen und Erfahrung aus zwei unterschiedlichen Disziplinen vorhanden sein: aus der Natur einerseits und andererseits aus der jeweiligen Anwendungs- oder Ziel-Disziplin wie z.B. Ingenieurwissenschaften. Architektur, Design, Medizin. Dieses Wissen muss in der Regel sehr spezifisch sein. Wenn man weiss, dass die Wasserwanze fliegen kann, reicht das nicht, um daraus neue Lösungen für Flugkörper abzuleiten. Mann muss genau wissen, WIE sie fliegt, welch spezifischen Mechanismen wirken, da dieses “Geheimnis" ja gerade die gesuchte Problemlösung sein kann.

Zusätzlich zu diesem Spezial-Wissen ist Kreativität und ein besonderer  Denkstil erforderlich, um den Transfer von der Natur in die Technik leisten zu können, da sich in der Regel die Natur-Prinzipien nicht 1:1 übertragen lassen. Dies wiederum ist nur möglich, wenn eine entsprechende Bereitschaft und innere Einstellung dafür vorhanden ist, Ungewöhnliches miteinander zu verbinden und neue Wege zu denken. Bionik liefert nicht “automatisch" - einfach durch die richtige Wahl des Vorbilds - den Geniestreich!

Entrepreneurship in der Bionik
So lange der Lotus-Effekt auch schon bekannt ist, so lange dauerte es, bis er aufgegriffen und schliesslich kommerzialisiert wurde. Das Erkennen eines Lösungsprinzips und das Umsetzen in eine technische Lösung ist das Eine. Das Andere aber ist es, diese Lösung auch tatsächlich durchzusetzen und dafür bedarf es einzelner Personen (wie z.B. Professor Barthlott dem Miterfinder des  Lotus-Effekts), die den Mut und die Zähigkeit haben, Risiken einzugehen und sich an die Realisierung zu machen. So ist zum Beispiel die ungewöhnliche Milleniums-Brücke in Newcastle (England), die sich gemeinsam mit Ihrem Träger kippen lässt, vorgeblich dem menschlichen Augenlid abgeschaut. Die eigentliche Leistung aber scheint mir die Entscheidung der Stadtväter zu sein, sich für solch einen ungewöhnlichen Mechanismus tatsächlich zu entscheiden und ihn zu realisieren.

Es Mut braucht, sich gegen den Mainstream oder gar bestehende Lehrmeinungen durchzusetzen. Dieser Mut ist umso notwendiger, als es sich bei bionischen Ideen häufig um revolutionäre Ideen handelt, abseits der ausgetretenen Denk-Pfade.

Der Beweis
Das zunehmende Interesse der Unternehmen und Medien an der Bionik steht meines Erachtens  in einem gewissen Widerspruch zu der tatsächlichen Bereitschaft, Neues zu wagen, neue Wege zu gehen. Es wird mit den möglichen attraktiven Innovationen geliebäugelt (widerstandsreduzierende Hai-Haut, Lotus-Effekt u.ä.). Man erhofft sich  mit dem “Wundermittel" Bionik solche Wunderprodukte einzukaufen, risikolos - schliesslich zeigt die Natur, dass es funktioniert!
Andererseits kann der Glaube an diesen impliziten Funktions-“Beweis" auch dazu führen, innovativen Ehrgeiz zu entwickeln, auch in schwierigen Fällen nicht locker zu lassen und so lange daran zu arbeiten, bis es doch funktioniert.

So führte das technische Nachahmen des Haftmechanismusses der Gecko-Füsse (Echsen-Art) zunächst nicht zu dem gewünschten Effekt. Die vielen feinen Härchen des Gecko-Fusses krallen sich in mikroskopische Oberflächen-Unebenheiten fest und ermöglichen es, dass er kopfüber an der Decke laufen kann. Die Härchen erwiesen sich aber in der technischen Realisierung als zu schwach, um nennenswerte Haltekräfte aufzubringen. Ein “Gecko-Kleber" also unmöglich? Da der Gecko aber nachweislich sein eigenes Körpergewicht mit diesem Mechanismus halten kann, MUSS es funktionieren. Dieser “Beweis" spornte die Entwickler an, den Dreh-Trick, den der Gecko dabei anwendet, weitere zu untersuchen bis sie schliesslich die Lösung fanden und einen Kleber herstellen konnten, der - zumindest im Labor - funktioniert.

Bionik im Innovationsprozess
Bionik im industriellen Innovationsprozess  kann auf unterschiedliche Weise eingesetzt werden. Bewährt haben sich in der Praxis des Autors besonders die Bionik-Galerie und das Bionik-Tandem.

Bionik-Galerie
Es gibt inzwischen “Datenblätter" oder Bionik-Kataloge (2), in denen zahlreiche biologische Effekte, Phänomene und Prinzipien auch für den Laien verständlich bildlich und textlich dargestellt sind ( z.B. der Zahnwechsel beim Elefanten). Im Innovations-Workshop hat sich bewährt, je eine von 10 - 40 solcher Darstellungen auf ein Flipchart zu hängen und die Teilnehmer von Blatt zu Blatt gehen zu lassen wo sie dann ihre daraus abgeleiteten Ideen aufschreiben.
Wichtig dabei ist, dass die Mechanismen nicht nur 1:1, sondern auch im übertragenen Sinne benutzt werden. "Zahnwechsel beim Elefanten" kann man z.B. verstehen als  "Veränderung", "Verschiebung", “Erneuerung" eines Elements oder auch als das Gegenteil: ein Wechsel wird verhindert. Es kommt darauf an, den Mechanismus als Anlass zum mentalen "Spielen" zu benutzen. Auf diese Weise können in etwa einer Stunde von 8 - 10 (nicht biologisch vorgebildeten!) Teilnehmern erfahrungsgemäss etwa 30 - 100 Einzelideen zu einem Problem gefunden werden.

Bionik-Tandem
Eine weitere Möglichkeit, Bionik im Innovationsprozess zu nutzen, ist die Zusammenarbeit mit einem Biologen, der entsprechend der Aufgabenstellung  (z.B. Neuentwicklung eines neuen Befestigungselements im Automobilbau) Beispiele auswählt,  wie die Natur das Befestigungsproblem auf unterschiedliche Weise löst. Der Biologe wählt aus und erklärt diese Mechanismen, die Teilnehmer versuchen dann daraus neue Ideen zu entwickeln. Dabei muss der Biologe selbst kreativ und nicht nur taxonomisch denken können und darf nicht zu tief selbst in die technische Problemlösung einsteigen. Er muss den Blick für die Biologie offen halten um nicht von den technischen Problemen gefangen zu werden.

Für ein Unternehmen der Gebäudeautomatisierung hat der Autor zum Beispiel mit der Entwicklungs-Abteilung und einem Biologen eine Exkursion in den Botanischen Garten gemacht um unmittelbar vor Ort, biologische Strategien für neue technische Problemlösungen zu studieren.

Produkt-Evolution
Eine ganz andere Möglichkeit der Bionik stellt die von Professor I. Rechenberg in Berlin entwickelte Evolutionsstrategie (3) dar. Sie simuliert den natürlichen Mutations- und Selektionsprozess, indem an einem bestehenden Produkt zufällige kleine Änderungen vorgenommen werden. Dann wird die beste Variante davon ausgewählt und wieder verändert, bis schliesslich ein Optimum erreicht ist. Dieses Verfahren wird z.B. in der Flugzeug- und Automobilindustrie intensiv eingesetzt, um Material- und Gewichtseinsparungen zu finden.


Literatur
(1) W. Nachtigall: Bionik, Berlin 2002
(2) B. Hill: Naturorientierte Lösungsfindung, Renningen-Malmsheim 1999 und W. Nachtigall: Erfinderin Natur, Hamburg 1984
(3) I. Rechenberg: Evolutionsstrategie, Stuttgart 1973



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